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 Hintergrund

An dieser Stelle gibt es kurze Situationsberichte ähnlich Tagebucheintragungen.

Einleitung
Gerade aus der Führungsetage ist immer wieder den Betriebsräten versichert wurde, sie bekämen für ihre Werke eine Chance. Die Betriebsräte hätten also erwarten können und müssen, dass die offenkundig vorhandenen Probleme gemeinsam mit ihnen besprochen werden. Dann hätte man Konzepte erarbeiten können.
Was hätte sich denn die Geschäftsführung vergeben, wenn sie zwei Konzepte entwickelt hätte, eines mit Erhalt der Standorte und eines - wie jetzt - mit der Zerstörung der Standorte? Ich hätte erwartet, dass Dr. Wachsmuth und Dr. Huss dies tun.
Besonders beschämend und Bände sprechend ist, dass stattdessen versucht wurde, in derselben Aufsichtsratssitzung in der über die Schliessung von Hamm und Remscheid beraten wurde, die Verträge der Geschäftsführung mit Dr. Wachsmuth an der Spitze zu verlängern.
Es ist zudem so bitter, weil die Mutter Mannesmann AG den gesamten Röhrenbereich (MRW mit allen Töchtern) mit einer vergleichsweise geringen Summe sanieren und neu strukturieren könnte, in Relation zu den z.B: 14 Milliarden, die jetzt in Italien investiert wurden. Gesetzlich ist Mannesmann dazu verpflichtet, weil im Grundgesetz steht und gilt “Eigentum verpflichtet”. Dies bedeutet, nicht nur für die Aktionäre, sondern zunächst für die dort beschäftigten Menschen. Es gäbe also eine Alternative.
Als sie mit den Röhren Geld verdient haben, haben sie damit jahrelang das damals verlustreiche Handygeschäft finanziert. Jetzt, wo sie mit den Handys Geld verdienen, müssten sie eigentlich das jetzt verlustreiche Röhrengeschäft finanzieren.
Ein Linker würde jetzt sagen, dass ist ein Lehrbeispiel für Kapitalismus und Shareholder value (alles für die Aktionäre, nichts für die Arbeitnehmer).

16.03.99
Der Kampf begann am 15.03.1999. An diesem Tag wurde dem Wirtschaftsausschuss das “Konzept” des Vorstandes zur Kenntnis gegeben. Dieses sah mindestens die Teilschliessung von zwei Werken vor, Hamm und Remscheid, ohne zu sagen, wie die anderen Teile weiterarbeiten können. Offenkundig sollen zwei Standorte nach der Salamitaktik langsam zerstört werden. Die Vermutung liegt nahe, dass sich ein Konzern komplett aus seiner Verantwortung für Industriearbeitsplätze verabschieden will.

24.03.99
Am Dienstag dem 23.03.99 standen mehr als fünfhundert Rentner, Frauen, Kinder, Kolleginnen und Kollegen bei strömendem Regen auf der Strasse und hörten den Worten von Arbeitsminister Steinbrück, Vorstandvorsitzendem Huss (MRW) und Richard Freund (IGM) sehr genau zu. Beim anschliessendem Gespräch mit dem Oberbürgermeister, dem Betriebsrat und anderen im Mannesmann Casino wurde deutlich, dass es schwer werden wird, den Konzern umzustimmen. Es wurde auch klar, dass in Remscheid nicht nur die Zukunft von MHP ungewiss ist, Dr. Huss gab trotz Nachfrage von Richard Freund auch keine Garantie für DMV ab.Wir spürten, wie kalte Planung unsere soziale Existenz zerstören soll.

27.03.99
Am Freitag, dem 26.03.99, fuhren wir morgens um 6.00 Uhr mit zwölf Bussen nach Hamm. Wir wurden erwartet. Als wir durch das Band der Solidarität gingen, ein gut hundert Meter langes Band links und rechts der Strasse mit Solidaritätsunterschriften, und wir die Kolleginnen und Kollegen in Hamm begrüssten, kamen manchem gestandenen Mann an der Strasse die Tränen. Wir spürten, was solidarisch handeln bedeutet und waren im Herzen verbunden.
Es wurden gute und teilweise auch weniger gute Worte gesprochen. Wir warteten auf die Aufsichtsratsmitglieder. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Dr. Huss, stellte sich voll vor seine Geschäftsführung, eigentlich unverständlich. Nach der Sitzung erhielten wir die Nachricht, dass die Belegschaft zusammen mit der IG Metall bis zum 03.Mai Zeit hat, um ein Alternativkonzept zu entwickeln - und dies, obwohl die Geschäftsführung sechs Monate hatte plus Vorlaufzeit, eine echte Chance!

16.04.99
Mittlerweile sind vierzehn Tage um. Wir schreiben den 16.04.1999. In den letzten zwei Wochen haben die betrieblichen Arbeitsgruppen Informationen gesammelt, die ISA-Consult hat gut koordiniert und es wurden viele Gespräche geführt. Es war die Zeit der inhaltlichen Vorbereitung. Aber wir haben auch gemerkt, dass es nichts schlimmeres gibt als hochbezahlte Manager auf (Un-)Fehlbarkeit anzusprechen. Die “Nieten in Nadelstreifen” sind mitten unter uns.

04.05.99
Jetzt schreiben wir den 04.05.1999. Seit Wochen versuchen wir unter den unmöglichen technischen und rechnerischen Vorgaben zu arbeiten. Ein Blick zeigt, worum es geht. Wir allein mit Stefan Pfeiffer von der ISA, der allein von der ISA übriggeblieben ist und speziell Hamm betreute, und auf der anderen Seite einige Räume in Hamm gefüllt mit Laptop-Kriegern von ME. Wir spüren in jeder Unterhaltung, dass es nur darum geht, uns kaputt zu machen, sonst  hätte man ja wenigstens versucht, gemeinsam mit uns etwas zu entwickeln. Wenn man den Worten von Dr. Huss, Dr. Wachsmuth, Herrn Eging, Herrn Deventer und Herrn Wieshoff glaubt, dann müsste ME eigentlich mit uns zusammen rechnen unter der Vorgabe, alle fünf Standorte zu erhalten, weil sie das doch nur gemacht haben, um mit “uns ins Gespräch zu kommen”, O-Ton Dr. Wachsmuth.

06.05.99
Am 05.05.99 wurden die Konzepte des Betriebsrates der Geschäftsführung und ME vorgestellt. Es müssen also über unsere Konzepte dieselben entscheiden, denen wir nachgewiesen haben, dass ihr Konzept schlecht und ungenau aber dafür sehr teuer und nicht plausibel ist. Ich habe die Veranstaltung als sehr enttäuschend empfunden. Es scheint niemandem klar zu sein, dass nur das Remscheider Werk alle Abmessungen kann. Dieses nicht weg zu diskutierende Faktum wird systematisch ignoriert.
Aber statt mit Geld zu sanieren und dadurch Mannesmann und Remscheid zukunftsfähig zu machen, ist der Weg zum Endziel ausgeschildert worden. Mannesmann als röhrenfreie Zone, so scheint es zumindest mittelfristig.

13.05.99
Bis Mitternacht vor der entscheidenen Aufsichtsratssitzung am 12.05.1999 wurde verhandelt. Das Ergebnis war ein Ausdruck von Machtverhältnissen, von Macht und Gegenmacht. Letztlich soll Hamm verringert fortgeführt werden und mhp in Remscheid soll bis 31.12.2000 geschlossen werden. Dafür gibt es in Remscheid 200 Ersatzarbeitsplätze, ein überregionales Ausbildungszentrum und eine Standortentwicklung.
Ich erspare mir die vielen Sieger und Verlierer. Die Belegschaft ist nicht der Gewinner. Aber ich denke, dass der Kampf aus heutiger Sicht Erfolg hatte, gemessen am Ziel der Geschäftsleitung.
Dieser Erfolg hat klare Ursachen: einen hohen Organisationsgrad an IG Metall Mitgliedern, einen funktionierenden Vertrauenskörper, einen überdurchschnittlichen und übermenschlichen hohen Einsatz der politischen Sekretäre der IG Metall vor Ort und einen menschlichen Umgang miteinander.

Aus diesem Kampf können klare Lehren gezogen werden:

1. Es lohnt sich - aber ohne Garantie für den Erfolg.
2. Es dauert lange und ist selbst nach einer Entscheidung noch lange nicht vorbei.
3. Es geht nicht allein, man braucht Verbündete.
4. Es kann viel durch langfristiges Handeln und Denken vorher vermieden werden.
5. Es wird zu viel geraucht und macht die Gesunden noch mit krank.

 

Weitere Hintergründe bei der IG Metall Remscheid-Solingen

 

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Zuletzt aktualisiert am 2.01.2000